Quelle: TA Nordhäuser Allgemeine TANO1 Donnerstag, 3. September 2015
Nabil (35) aus Syrien fand am Montag in einer Nordhäuser Turnhalle Notunterkunft. Gestern erzählte er Berufsschülern von seiner Flucht
Von Kristin Müller
Nordhausen. Suhl und Eisenberg, die Namen jener Orte der Thüringer Erstaufnahmelager für Asylbewerber, gehen Nabil leicht über die Lippen. Nur habe er dort einige Gesichter gesehen, die Ablehnung zeigten. Hier sah er diese nicht, sagt der 35-jährige Englischlehrer aus Syrien lächelnd am Tag 3 in Nordhausen.
Die Turnhalle der Berufsschule wurde wie für andere 38 Kriegsflüchtlinge am Montag seine Bleibe, gestern Vormittag hießen ihn Berufsschüler willkommen. Ihnen erzählte der Kurde von seiner Flucht aus Syrien. Ein Land, in dem das Assad-Regime 2012 erste Proteste gewaltsam niederschlug, das inzwischen in einen Krieg versunken ist. Niemand könne sich dem Konflikt entziehen: "Entweder du tötest oder du wirst getötet." Als Nabils Bruder im Wehrdienst nicht auf andere schießen wollte, wurde er exekutiert. Nabil blieb, hielt Freunde von der Flucht ab - und verlor doch irgendwann die Hoffnung für sein Land.
Er verkaufte sein Haus, hatte Geld für die Flucht über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. "Viele wählen den Seeweg, der ist billiger - aber auch gefährlicher."
Nabil und die anderen liefen, 10, 15 Stunden am Tag, begaben sich wieder und wieder in die Hand von Schleppern. Sie mussten es hinnehmen, etwa an der mazedonischen Grenze lange sitzengelassen zu werden. Wer nicht genug Wasser dabei hatte, musste umkehren. Ein Zug gen Serbien war derart überfüllt, dass Nabil und andere die kleinen Kinder nach oben hielten, damit diese überhaupt noch Luft bekamen.
In Ungarn wurde die Gruppe mitten in der Nacht abgesetzt, nur vermeintlich an der Grenze. Vier Stunden irrten die Syrer durch den stockfinsteren Wald, die Kinder schrien. Zu jener Zeit lag hinter Nabil schon ein dreitägiger Gefängnisaufenthalt: Polizisten hatten seine Gruppe aufgegriffen, nachdem sie ihren unbändigen Durst an einem Wassertank an einem Feld gestillt hatten.
Ende Juli zwängten sich 17 Menschen schließlich in Ungarn in einen Van eines Schleppers, auch Nabil. Diese Fahrt war erst in Deutschland zu Ende - das Land, in dem sich Nabil für sich und seine Familie nun eine Zukunft erhofft.
Quelle: TA Nordhäuser Allgemeine TANO1 Dienstag, 3. September 2015